Vorbemerkung: Sowohl in der fortgeschrittenen Meditation Satipatthana–Vipassana, wie auch in der Satitherapie benützt man als ein Diagnose–Instrument die Exploration von Psychotop (Pali: ti–loka–vavatthana). Obwohl die Satitherapie auf den Matrizen des Abhidhamma aufgebaut ist, wird sie nicht als eine „buddhistische Psychotherapie“ bezeichnet.
Darüber mehr:
http://www.volny.cz/satiterapie/

Psychotop und Persönlichkeitsintegration

4. Kapitel (Seiten 111–130) aus dem tschechischen Lehrbuch von Mirko Frýba:
Psychologie der Lebensmeisterung — Anwendung des Abhidhamma,
Masaryk Universitätsverlag, Brno 1996 (Autors Übersetzung ins Deutsche)

Der Begriff Psychotop bezeichnet den psychologisch aufgefassten Lebensraum einer konkreten Person, dessen Strukturen ausschließlich durch das Erleben eben dieser Person definiert sind. Alles, was auf diese Person durch ihre Sinne wirkt, was sie als solches erlebt, sind für sie wirkli­che Dinge, die weiterhin hier in der Pluralform als „Wirklichkeiten“ (dhammá) bezeichnet werden. Die Wirklichkeiten unterscheiden sich von den erlebnismäßig leeren Begriffen, welche von der Person als bloße Gedankenkonstruktionen aufgefasst werden können, und daher „Un-wirk­lichkeiten“ (adhammá) sind. Es ist dabei irrelevant, ob es sich um Sachverhalten handelt, die wirklich im Auffassen einer anderen Person sind. Sich davon zu distanzieren ist für eine Person nicht ganz leicht; man weiß nur ungefähr, dass es in seine Welt (loka) — eben in sein Psychotop — irgendwie nicht ganz gehört. Jene Wirklichkeiten, die in das Psychotop gehören, haben darin ihr Platz und stören dort nicht; man erlebt sie als „natürlich“ (pakati).  Es greifen in die Struktu­ren des Psychotops aber auch solche Wirklichkeiten ein, welche die Person auf irgendeine Weise beschränken, schädigen, vergewaltigen oder gar vernichten. Hingegen schalten sich auch solche Wirklichkeiten ein, die zwar nicht natürlich sind, dennoch einen heilsamen, emanzipatorischen Einfluss ausüben; man erlebt sie wörtlich als „Wirklichkeiten, die zu etwas führen“ (sam–patta–niyatá–dhammá).

Durch diese Begriffsbestimmungen des Psychotops nähern wir uns der abhidhammischen Auffassung von loka, ohne dass wir auf so viel Feinheiten eingehen würden, wie es für eine fort­geschrittene Meditationsübung oder Planung satitherapeutischer Heilungsstrategie nötig wäre. Wollen wir aber begreifen, wie die Abhidhammikas das Psychotop auffassen, müssen wir den­noch mindestens einige Beziehungen zu dem Begriffsgefüge zeigen, das den Psychologen und Laien in unserer Kultur geläufig ist, wie auch zu den bereits in diesem Werk erläuterten und ope­rationell definierten Begriffen des Abhidhamma. Diese Abhandlung setzt sich jedoch nicht das Ziel, den Abhidhamma ausschöpfend  mittels wissenschaftliche Terminologie zu erklären.[1]

Einzelne Personen sind zu sinnvollen Beziehungen in solchem Ausmaß fähig, in welchem ihre Psychotops kompatibel sind und in welchem sie sich gegenseitig tolerieren. Das jeweilige Gruppen– oder Kulturpsychotop enthält die wirklich vorkommende, wie auch potentiell mögli­che Varianten konkreter Psychotope der Personen, die in gegenseitigen psychologischen Abhängigkeiten miteinander leben; es ist also ihre ganze, psychisch geteilte Welt, die durch ihre Abhängigkeiten beschränkt ist. Persönliche Erlebnisse, die nicht den anderen Gruppenmitgliedern mitteilbar sind, sind für sie „aus einer anderen Welt“, unbegreiflich. Kulturpsychotop ist ein Begriff, der nur die Welt bezeichnet, die unter Umständen für alle Mitglieder einer bestimmten Kultur oder Subkultur virtuell begreiflich ist. Kulturpsychotop ist theoretisch ein umfassenderer Begriff, vom Standpunkt der Psychotopexploration einer konkreten Person — z.B. in der empirischen Forschung der Persönlichkeitspsychologie oder in der psychotherapeutischen Diagnose — ist er aber enger als der Begriff des (individuellen) Psychotops.


[1]   Ein Versuch, die Struktur der Welt nach Abhidhamma zu erklären, findet man in einem anderen Werk (Frýba: Psychische Interaktion, intrapsychische Struktur und individuelles Wertsystem, Bern 1975), das die fünf Komponenten (pañcak–khandha) in sozialpsychologischer Terminologie interpretiert. Siehe auch das Zitat (in diesem Lehrbuch auf S. 91) über das Psychotop als die „Vielfaltwelt (papañca) als Ganzes … erkenntnismäßig geordnet und erlebnismäßig durchdrungen“ (Frýba: Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma, Freiburg 1987, S. 323), die jedoch nicht den Welt– und Naturbegriffen von Kant (1787) entspricht, welche definieren „die Welt als Inbegriff existierender Dinge“ (A.A. Seite 228) und „die Natur als Inbegriff aller Erscheinungen“ (A.A. Seite 126).

Das bereits vergriffene Buch Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma kann als Fotokopie bestellt werden von <franz.koelblinger@utanet.at> oder <Udo.Kratochwill@stadt-salzburg.at>  

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