In unserem Sprachgebrauch werden als Buddhismus allgemein alle weltanschaulichen Systeme wahrgenommen, die von der Lehre des historischen Buddha Gotama abgeleitet sind. Der Prinz Gotama gehörte der im sechsten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in Nordindien regierenden Familie Sakya an; er verzichtete jedoch auf das weltliche Leben und gründete einen Mönchs– und Nonnenorden. Seitdem haben sich in Asien, neuerdings aber auch in den anderen Weltteilen, monastische und Laiengemeinden gebildet, die verschiedene Aspekte der Lehre des Buddha in ihrer Lebenspraxis benützen. Im etwas engeren Sinne wird daher der Buddhismus — was jedoch nicht immer ganz richtig ist — für eine der fünf "Großen Weltreligionen" gehalten. Weil Buddha weder ein Gott noch ein Gottesprophet war, betrachten die meisten modernen Buddhisten seine Lehre als eine praktische Lebensphilosophie. Die ursprüngliche Lehre des Buddha ist eigentlich ein System psychologischer und ethischer Weisheit, das in der Praxis geistiger Schulung und Heilung seit mehr als zweieinhalbtausend Jahren in den traditionell buddhistischen Ländern benützt wird. Und so wird der Buddhismus auch in dieser Abhandlung verstanden, die sich mit dem Heil als geistiger und körperlicher Gesundheit und mit einigen Prinzipien des Heilungsvorgehens befaßt.
Es werden hier vor allem jene Aspekte der Lehre des Buddha erklärt, die allen buddhistischen Schulen gemeinsam sind und auch für unsere Kultur praktisch interessant sein können. Der besseren Orientierung wird dabei eine kurze geschichtliche Übersicht der verschiedenen nationalen Buddhismen und ihrer Besonderheiten dienen. Die Lehre des Buddha, wo auch immer sie sich heimisch gemacht hat, ist überall mit den vorbuddhistischen lokalen Traditionen verbunden und durch die in der jeweiligen nationalen Sprache festgehaltenen kultureigenen Weisheiten beeinflußt. Dies war auch bereits zur Zeit des Buddha der Fall. Buddha formulierte seine Lehre in einer lebendigen indo–europäischen Sprache, die als Magadhi oder Pāli bekannt und mit Sanskrit, der schon damals toten, über tausend Jahre alten Kirchensprache des Brahmanismus, verwandt ist.
Der Buddha und seine zeitgenössischen Schüler lehrten im direkten persönlichen Kontakt und paßten ihre Lehrreden jeweils dem Niveau der mönchischen oder laienhaften Zuhörer an. Sie waren sich dennoch der Unterschiede bewußt, die zwischen einem umgangssprachlichen Vortrag, einer Ordensunterweisung und einer streng technischen Formulierung der paradigmatischen Matrizen (mātikā) der Lehre bestehen. Dementsprechend wurden die Texte bei der Kanonisierung in drei Kategorien (ti–pitaka, wörtlich: drei Körbe) eingeteilt: Vinaya–Pitaka, Texte der Ordensdisziplin, Sutta–Pitaka, Texte der gelegenheitsgebundenen Lehrreden und Abhidhamma–Pitaka, Texte der Lehrmatrizen. Für die wissenschaftliche Analyse der psychologischen und ethischen Grundlagen des Buddhismus und seiner konkreten Heilungsvorgehen in allen verschiedenen Kulturen sind also vor allem die Texte des Abhidhamma ausschlaggebend.(1)
Der Buddha nannte seine Lehre Dhamma, was wörtlich als das Tragende, das Gesetz, die Wirklichkeit, die tatsächlich vorhandene Ordnung der Dinge oder ganz einfach als die Lehre ins Deutsche übertragen werden kann.(2) In der Übersetzung auf Sanskrit heißt es Dharma, auf Chinesisch Fa, auf Tibetisch Tschös, auf Japanisch Ho, auf Sinhala Daham usw. Wörtlich heißt dann Abhi–dhamma die hohe oder die "über" (abhi–) den Dhamma handelnde Lehre. Praktisch alle Matrizen (mātikā) des ursprünglichen Abhidhamma–Pitaka sind später von anderen Schulen des Buddhismus übernommen worden, wurden dann aber — zum Beispiel in Abhidharma der Sarvastivāda– oder Hīnayāna–Schule des Sanskrit–Buddhismus — anders gedeutet.
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6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung 2. Jahrhundert
Theravāda geht von Sri Lanka aus |
Diagramm 1: Die erste Entwicklung, Teilung und Verbreitung des Buddhismus im panindischen Raum. |
Während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung kam es auf dem indischen Subkontinent zu einer Beeinflussung des Buddhismus durch den die Sanskrit–Sprache benützenden Brahmanismus. Der daraus resultierende Sanskrit–Buddhismus brachte eine Spaltung zwischen den Anhängern des sogenannten Großen Vehikels (Mahāyāna), die Selbstaufopferung lehrten, und jenen des Kleinen Vehikels (Hīnayāna), die nach eigener Erlösung strebten. Im elften Jahrhundert starb der Sanskrit–Buddhismus. Auf seine Schriften stützen sich aber noch heute die Gelehrten in Tibet, China, Japan und anderen Ländern. In Tibet werden die Lehren des Hīnayāna, des Mahāyāna und des noch später entwickelten Vajrayāna (des Diamantenen Vehikels) als Stufen der Unterweisung gelehrt. Diese sanskritische Abstufung der Unterweisung blieb unbekannt in Sri Lanka, Burma, Thailand und anderen Theravāda–Ländern, in denen die ursprünglichen Pāli–Texte benützt werden.
Wenn einige Schriftsteller den Buddhismus in Hīnayāna und Mahāyāna einteilen, welches Kategorien bloß einer Schule sind, dann kommt dies einer ethnozentrischen Entstellung gleich und ist ein ähnlicher Anachronismus, wie wenn man sagen würde, die Deutschen hätten eine Philosophie, die von dem sowjetischen Denker Immanuel Kant in Kaliningrad erfunden worden sei. Die wissenschaftlich begründeten, historischen und geographischen Fakten über die erste Entwicklung, Teilung und Verbreitung des Buddhismus sind im Diagramm 1 veranschaulicht.
Für das Verständnis der konkreten buddhistischen Heilungsvorgehen ist besonders wichtig, daß das höchste Ziel der Lehre des Buddha über einer Hierarchie der Werte steht, die mit den jeweils kultureigenen Vorstellungen über körperliches Heilsein, geistige Vollkommenheit und gesellschaftliche Eintracht verbunden sind. Wie wir den Pāli Texten entnehmen können, sorgte ein āyurvedischer Arzt Namens Janaka um die körperliche Gesundheit des Buddha. Die geistigen und gesellschaftlichen Werte, die im alten Indien herrschten, hat der Buddha bei der Konkretisierung von ethischen Prinzipien voll respektiert. Dies bedeutet, daß von Anfang an im Buddhismus eine Vielfalt von Wertsystemen integriert war. Die wissenschaftlichen Ergebnisse literarischer, archäologischer und ethnologischer Forschung zeigen, daß die altindische Kultur sich nicht sehr davon unterschieden hat, was man heute noch in der traditionell dörflichen Kultur des panindischen Raums vorfindet, zu welchem Burma, Nepal und Sri Lanka gehören.(4)
Die buddhistischen Heilsvorstellungen haben sich allerdings in China, Tibet, Japan und anderen Ländern Asiens, welche nicht im panindischen Raum liegen, unterschiedlich entwickelt. Obwohl sich der Buddhismus schon seit dem dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung in China verbreitet hat, beeinflußte er die Heilsysteme der chinesischen Medizin kaum, die aus den älteren Lehren des Taoismus abgeleitet sind. Etwas anders war die Situation in Tibet, in dessen ursprüngliche schamanische Religion Bön alle Formen des Sanskrit–Buddhismus nach dem achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung vollkommen integriert wurden. Auch die hohe Lehre des Abhidharma und die mit ihr verbundenen Heilungsvorgehen sind in dem tibetischen Vajrayāna enthalten, der von den Spitzengelehrten praktiziert wird. Ansonsten leben alle tibetischen Mönche, die Lamas genannt werden, nach den Hīnayāna–Regeln des Sarvastivāda. Einige von ihnen, die ähnlich wie die Laien dem mahāyānischen Ideal der Selbstaufopferung nachstreben, üben zudem die Funktionen der schamanischen Heiler und Ärzte aus, die ein selbständiges, sehr komplexes System tibetischer Medizin benützen.(5)
In gleicher Weise sind in Japan sind die Heilsvorstellungen durch den lokalen Schintoismus geprägt. Der Buddhismus wird da vielmehr als Religions– und Moraldoktrin verstanden, die zwar gesellschaftlich einflußreich ist, mit medizinischen und anderen Heilsystemen jedoch nicht viel zu tun hat. Die Lehre des Buddha kam in einer Synthese mit dem Taoismusn im elften Jahrhundert unserer Zeitrechnung aus China nach Japan. Im japanischen Buddhismus wird eine Wiedergeburt im Himmel der "Reinen Gefilde" (schin–schu, chinesisch: tsching–tu, sanskrit: sukhavati–vyūha) als das höchste Heil verstanden. In diesem Himmel regiert der mythische Buddha Amida zusammen mit zwei Bodhisattvas und anderen Gottheiten. Die Praxis des Amidismus besteht im Ausüben von Ritualen und Singen von chinesischen Texten, wodurch ekstatische Erlebnisse angestrebt werden. Weil sich die Japaner als Anhänger des Mahāyāna verstehen, betrachten sie auch die Wohltätigkeit als ihre religiöse Pflicht.(6)
In der euro–amerikanischen Welt ist der japanische Zen–Buddhismus sehr populär geworden, eine Meditationsmethode, die durch "bloßes Sitzen" (just sitting) zu einer Befreiung von allen kognitiven und sozialen Zwängen führen soll. Aus der Flut der modernen Literatur über Zen ragt ein zuverlässiges Werk Die drei Pfeiler des Zen (1981) von Philip Kapleau angenehm hervor, das die folgenden Definitionen gibt:
Zen ist, kurz gesagt, eine Religion mit einer einzigartigen Methode der Körper–Geist–Schulung, deren Ziel satori, also Selbst–Wesensschau ist. ... als buddhistischer Weg zur Befreiung ist Zen mit größter Bestimmtheit eine Religion. Es gründet sich auf die höchsten Lehren des Buddha. Von Indien wurde es nach China gebracht, wo die für Zen charakteristischen Methoden und Techniken entwickelt wurden. Der Zen–Buddhismus stellt somit das Ergebnis der geistigen Erfahrungen dreier großer asiatischer Kulturen dar. ...
Wie jede andere große Religion geht Zen auf seiner höchsten Ebene über seine eigenen Lehren und Übungen hinaus; andererseits aber gibt es kein von diesen Übungen abgelöstes Zen. (Kapleau 1981, Seite 19).
Zen brachten im zwölften Jahrhundert unserer Zeitrechnung nach Japan der Meister Eisai Roshi (Rinzai–Zen) und sein Schüler Dogen Roshi (Soto–Zen), der schon "als Vierjähriger chinesische Dichtung und als Neunjähriger eine chinesische Abhandlung über den Abhidhamma las" (Kapleau 1981, Seite 29). Die japanischen Zen–Meister benützten seit jeher das chinesische Handbuch des Abhidhamma Gedatsu–Do–Ron (Der Weg zur Befreiung), das auch den Meistern des Vajrayāna und Theravāda als Referenz für die höchsten — und daher nur für Wenige zugänglichen — Lehrsätze des Buddha dient.(7) Aus dem Werk moderner japanischer Denker ist Zen and Japanese Culture (1959) von Daisetz Teitaro Suzuki besonders gut bekannt, der auf dem Amidismus gründend eine Synthese von Zen und Schin–Schu in der japanischen Kultur der Gegenwart angestrebt hat.
Erwähnung verdient auch die vietnamesische Form von Rinzai–Zen, die Thien genannt wird und die bedeutendste unter den Schulen des Mahāyāna und Theravāda ist, die in Vietnam koexistieren.(8) Gemäß der Tradition kam der Buddhismus bereits im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nach Vietnam und ist dort heute in allen verschiedenen Ausprägungen auch auf der Ebene des Dorflebens vorhanden. Die zeitgenössischen Thien–Meister — wie zum Beispiel der im Westen populäre Thich Nhat Hanh, der auch auf die neuesten Errungenschaften der Wissenschaft Bezug nimmt (Die Sonne, mein Herz 1989) — bauen auf der Theravāda Tradition des Satipatthāna–Vipassanā und benützen Paradigmen des Pāli Abhidhamma. Eine wissenschaftliche Erforschung der im Rahmen unseres Themas relevanten buddhistischen Heilsvorstellungen und Heilungsvorgehen in Vietnam gibt es jedoch bisher nicht.
Die typische buddhistische Kultur, welche die Ideale der ursprünglichen Lehre des Buddha bis heute lebendig hält und im großen Ausmaß auch verwirklicht, ist die Kultur von Sri Lanka. Man erforschte sie auch wissenschaftlich bisher am eingehendsten — sowohl in ihren allgemeinen Zügen (Bechert 1966), als auch hinsichtlich aller ihrer Heilsysteme und Heilungsvorgehen (Vogt Frýba 1991). Die weiteren Ausführungen der vorliegenden Abhandlung über Heilung und Ethik im Buddhismus beziehen sich daher auf die lebendige Praxis in Sri Lanka.
Das höchste Heil wird in der ursprünglichen Lehre des Buddha als die vollkommene Abwesenheit aller Formen von Leiden und auch aller Ursachen des Leidens definiert. Dieses Definieren durch Negation ist darin begründet, daß es unmöglich ist, das höchste Heil mittels Begriffen erschöpfend zu definieren, die zur Sprache gehören, welche normalerweise zur Erfassung von Gegebenheiten einer dem Leiden ausgesetzten Welt benützt wird. Der Buddha wird traditionellerweise in seinem Vorgehen der Diagnose des Leidens wie auch des Heilens mit einem Arzt verglichen. Er stellt fest, erstens wie sich das Leiden offenbart und zweitens was seine Ursache ist; er weiß, drittens was die Freiheit vom Leiden ist, und zeigt viertens den Weg zu der Leidensfreiheit.
Auf diese Weise wird also das Heil mit dem Paradigma der Vier Edlen Wahrheiten definiert, die nur ungetrennt voneinander, also als eine Matrix, das heißt in ihrem Bezug zueinander, die grundlegenden Prinzipien der Lehre des Buddha darstellen. Dies zu betonen ist wichtig, weil der in unserer Kultur gängigen Denkweise oft die Zusammenhänge entgehen, die nicht auf eine Kausalität bloß einer Ursache beschränkt sind. Manchmal wird bei uns sogar die Halbwahrheit verbreitet, daß der Buddha nur das Leiden gelehrt habe.(9)
Die kürzeste, von Buddha selbst gesprochene Definition seines Heilswegs ist unmißverständlich klar:
Pubbe c'āham bhikkhave etarahi ca
dukkhañ c'eva paññāpemi
dukkhassa ca nirodham.
(Majjhima Nikāya PTS I, Seite 140)
Jetzt wie früher, ihr Mönche,
erkläre ich das Leiden und sein Aufhören.
Wenn Buddha dennoch bei verschiedenen Gelegenheiten sagte, daß "alles Gestaltete [dem] Leiden [unterworfen] ist" (sabbe sankhārā dukkhā), dann sprach er aber immer auch über das Ungestaltete (asankhata), das Nibbāna, und darüber, wie es bereits in diesem Leben erreicht werden kann:
Asankhatañ' ca bhikkhave desissāmi asankhata–gāmiñ'
ca maggam.
Tam sunātha.
Katamañ' ca bhikkhave asankhatam?
Yo bhikkhave
rāgakkhayo dosakkhayo mohakkhayo idam vuccati bhikkhave asankhatam.
Katamo ca bhikkhave asankhata–gāmi maggo? Kāya–gatā–sati ...
(Samyutta Nikāya PTS IV, Seite 359)
Das Ungestaltete und den Weg dahin werde ich euch,
ihr Mönche, zeigen.
Hört zu.
Was ist denn, ihr Mönche, das Ungestaltete?
Es ist
das Versiegen der Gier, des Hasses und der Verblendung, ihr Mönche, also dies
nenne ich das Ungestaltete.
Was ist denn, ihr Mönche, der zum Ungestalteten führende
Weg? Es ist die auf den Körper gerichtete Achtsamkeit ...
Und mit der Körperachtsamkeit beginnend gibt der Buddha in dieser gleichen Lehrrede weitere Anleitungen zum Training und, zusammenfassend am Schluß, die Anleitung zum Glücklichsein durch das Befolgen des Achtfachen Pfads, der die vierte der oben besprochenen Vier Edlen Wahrheiten darstellt. Der Achtfache Pfad führt bei den Laienanhängern zum weltlichen Glück und — in seiner radikalen, auf die Weltentsagung orientierten Anwendung — bei Mönchen und Nonnen zum Glück des vollkommenen Aufgebens aller weltlichen Ansprüche. In einer für die Laien bestimmten Lehrrede aus der Angereihten Sammlung (Anguttara Nikāya PTS II, Seite 69f, deutsche Übersetzung von Nyanatiloka 1984, Band II, Seite 69f) erläutert der Buddha ausführlich das Erreichen vom weltlichen Glück:
Vier Arten des Glückes (sukha), o Hausvater,
mag der im Genusse der Sinnenfreuden lebende Hausvater gelegentlich, von Zeit
zu Zeit, erlangen. Welche vier?
Das Glück des Besitzens (atthi–sukham), das
Glück des Genusses (bhoga–sukham), das Glück der Schuldenfreiheit
(anana–sukham), das Glück der Unbescholtenheit (anavajjasukham).
...
Da besitzt ein Sohn aus guter Familie Schätze, die
er sich durch Aufbietung seiner Kraft erworben hat, durch seiner Hände Fleiß,
im Schweiße seines Angesichts, auf rechtsmäßige, ehrliche Weise. Und er empfindet
Glück und Freude...
Wer da der Schuldenfreiheit Glück
und des Besitzens Glück bedenkt,
auch des Genusses Freuden kennt,
und dann dies alles weise prüft,
Des Glückes beide Arten sieht er klar
und weiß, daß jenes Glück der Welt
kein Sechzentel des Wertes hat
vom Glück der Unbescholtenheit.
Je nach dem Standort im Leben und geistigen Niveau der Zuhörerschaft wird in verschiedenen Lehrreden die Anleitung unterschiedlich ausgeführt und die einzelnen Bestandteile des Achtfachen Pfads mehr oder weniger betont.(10) Die grundlegende Formulierung des Achtfachen Pfads, der alle Lebensbereiche berücksichtigt, bleibt jedoch für alle gleich:
1. Rechte Erkenntnis (sammā–ditthi) der Wirklichkeit, wie sie ist, nämlich das Wissen, daß alle Dinge der Welt (sankhārā) vergänglich (anicca), dem Leiden unterworfen (dukkha) und ohne irgendwelche unabhängige Identität (anattā) sind.
2. Rechte Gesinnung (sammā–sankappa), Pflegen von Absichten, die kein Leiden verursachen, und Vorhaben, durch die man das Glück bei sich selber und bei den Anderen fördert.
3. Rechte Rede (sammā–vācā), die frei von Lügen, Beleidigungen, Zwischenträgerei und Hetzen ist.
4. Rechtes Tun (sammā–kammanta) nach den von Buddha gelehrten ethischen Prinzipien (sīla).
5. Rechter Lebensunterhalt (sammā–ājīva), der keinen Lebewesen schadet und das emanzipatorische Streben ermöglicht.
6. Rechte Anstrengung (sammā–vāyāma) Unheilsames (akusala) zu überwinden und Heilsames (kusala) zu pflegen.
7. Rechte Achtsamkeit (sammā–sati) kultiviert nach der Methode der Satipatthāna–Vipassanā, die vom Leidursachen befreit.
8. Rechte Sammlung (sammā–samādhi), die den Geist von Gier, Haß und Veblendung frei hält.
Für die praktische Übung werden die Bestandteile des Achtfachen Pfads zu drei Trainingsstufen zugeteilt (siehe Diagramm 2): Die erste Stufe der Unterweisung bezieht sich auf die ethische Schulung des Charakters (sīla), die im Handeln für das Wohl der anderen, für das eigene Wohl und für das Wohl von beiden besteht. Sie ist auf das Training der Glieder 3, 4 und 5 des Achtfachen Pfads ausgerichtet. Die zweite Stufe der Unterweisung besteht in Instruktionen für die meditative Geistesschulung (samādhi) und schließt die Glieder 6, 7 und 8 ein. Die dritte Stufe ist die Kultivierung der emanzipatorischen Weisheit (paññā), welche als die Vermittlung rechter Erkenntnis und rechter Gesinnung (Glieder 1 und 2) eigentlich der Unterweisung im ethischen Handeln und in Meditation schon vorangehen muß, aber erst nach voller Entfaltung aller drei Stufen des Trainings zum Erlöschen sämtlicher Formen von Gier, Haß und Verblendung führt. Dieses Erlöschen (Nibbāna), das höchste Ziel des Dhamma, ist also durch die dazu führenden Vorgehen operational definiert und wird als das "Verweilen im feinsten Glück hier–und–jetzt" (anuttara–ditthadhamma–sukha–vihāra) erlebt.
Es gibt im Rahmen des Dhamma auch Vorgehen, die zu weniger hohen, dennoch sehr erhabenen Zielen führen. Als Beispiel wollen wir die meditative Schulung zwischenpersönlicher Beziehungen und die mit ihnen verbundenen Techniken des weisen Erwägens (yoniso manasikāra), die zur Verwirklichung sogenannter Göttlicher Verweilungen (brahma–vihāra) führen, erwähnen. Sie heißen göttlich, weil sie sich durch eine Großherzigkeit gegenüber allen Wesen auszeichnen, die den höchsten Göttern indischer Mythologie, den Brahmas eigen ist. Personen, die — durch ihr ethisch einwandfreies Handeln bedingt — in diesen Sphären geboren werden, genießen ein Glück himmlisch harmonischer Gemeinschaft. Die Brahmas sind keines Hasses, auch keines sogenannt gerechtfertigten Grolls fähig. Ihre Lebensspanne ist jedoch — wie bei allen Wesen, die geboren wurden — begrenzt. Nachdem die angenehmen Ergebnisse ihres ethisch heilsamen Tuns (kusala kamma–vipāka) erschöpft sind, scheiden sie aus den himmlischen Sphären aus, die ebenfalls zu der gestalteten Welt gehören. Sie können dann in jeder anderen Situation wiedergeboren werden.
Das Gestalten von Situationen Göttlicher Weilungen geschieht mit Meditationstechniken, in welchen die vier folgenden Geisteszustände entfaltet werden (Frýba 1987):
1. Mettā ist als nicht–besitzergreifende Liebe durch Wohlwollen charakterisiert und steht im Gegensatz zu allen Formen von Haß, Zorn und Übelwollen.
2. Karunā ist von Mitgefühl und Verständnis getragenes Mitleid, das Gegenteil von Grausamkeit, Rache und Schadenfreude.
3. Muditā ist die Mitfreude am Wohl und Erfolg anderer. Sie steht im Gegensatz zu Neid, Eifersucht und Wettkampf und Verunmöglicht Verbitterung, Langeweile oder Mißgunst.
4. Upekkhā oder Gleichmut ist eine erhabene Unabhängigkeit von Schmeicheleien und Drohungen. Sie ist durch ein Gleichmaß des Geistes charakterisiert, das alle Parteilichkeit aufhebt und die Mitte einhält.
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Wie die drei Trainingsstufen Sīla–Samādhi–Paññā sich gegenseitig bedingen (siehe Diagramm 2) wird bei den srilankischen Heilungsvorgehen besonders gut sichtbar, in denen man sich ebenfalls der Methode von Brahma–Vihāra bedient (Vogt Frýba 1991). Die überwiegende Mehrheit der Laien in Sri Lanka — wie auch in Burma und anderen Ländern des Theravāda — bleibt jedoch in ihrem Ausüben des Dhamma auf der ersten Stufe. Sie können zwar alle über Sīla–Samādhi–Paññā und die dazu gehörenden, zum höchsten Ziel führenden Vorgehen reden, geben jedoch zu, daß sie in ihrer Praxis vielmehr dem Ideal des noch nicht erleuchteten Bodhisatta folgen. Sie häufen also nur den Verdienst (vipāka) der guten Taten (kusala kamma) an und kultivieren die zehn Voraussetzungen (pāramitā) für den weiteren Heilsweg, den sie erst in einer künftigen Wiedergeburt betreten wollen. Diese Prinzipien der Ethik gelten in der buddhistischen Kultur auch für die verschiedenen Heiler, z.B. ayurvedische Ärzte, westlich geschulte Mediziner und andere, die ihre Heilverfahren nicht von der Lehre des Buddha ableiten.
Bevor wir uns eine Übersicht über die verschiedenen Heilverfahren in Sri Lanka schaffen und die ethischen Vorstellungen der Heiler behandeln, möchten wir die psychologischen Prinzipien, die der buddhistischen Ethik zugrunde liegen, etwas näher betrachten. Die dem Dhamma immanente Ethik ist verankert in der Evidenz der direkt erlebbaren Phänomene hier–und–jetzt und baut auf dem Verstehen der persönlich erfahrbaren Bedingtheit (paccayatā) des Leidens und des Glücklichseins. Die ethischen Richtlinien — sowohl im Alltagsleben als auch im methodischen Training — werden aus der eigenen Einsicht in die psychologischen Gesetzmäßigkeiten als persönliche Entschlüsse gefaßt und befolgt. Die traditionelle Formulierung der ethischen Entschlüsse ist die folgende:
1. Von Zerstörung atmender Lebewesen will ich abstehen!
2. Vom Nehmen von Nicht–Gegebenem will ich abstehen!
3. Von Ausschweifungen in Sinnlichkeit will ich abstehen!
4. Von unwahrer und leidverursachender Rede will ich abstehen!
5. Von Minderung der Achtsamkeit durch Einnahme berauschender Mittel will ich abstehen!
Auf Grund des eigenen Verstehens der Bedingungen der Leidensentstehung, nimmt man Abstand von solchen Handlungen, die durch Gier, Haß und Verblendung motiviert sind. Dies geschieht im Wissen um die Nicht–ich–Natur (anattā) aller Wesen, im Wissen, daß alle Wesen durch die universelle Bedingtheit (paccayatā) miteinander verbunden sind. Daraus folgt die rechte Gesinnung, deren Rationalität zum Beispiel mit dem Satz ausgedrückt werden kann: "Je besser es den Anderen um mich herum geht, desto besser sind die äußeren Voraussetzungen, daß es auch mir gutgehen wird." So sind die ethischen Richtlinien keine Gebote oder Verbote einer Sozialethik, die irgendeine strafende und lobende Autorität aufgestellt hat. Vielmehr geht es um ein weises Entsagen dem Leiden, indem man auf das Leidverursachende verzichtet. In diesem Sinne gilt also die von unseren Religionswissenschaftlern so oft erhobene Behauptung, daß Buddhismus eine Lehre des Verzichts sei.
Die Ethik des Dhamma gründet auf der Lehre von Kamma (absichtliches Tun) und Vipāka (Ergebnis des Tuns), die auch bei uns in gewissermaßen fatalistisch entstellter Form als Karma bekannt ist. Gemäß dem Dhamma wird alles absichtliche Tun als entweder ethisch heilsam (kusala) oder unheilsam (akusala) gewertet. Heilsames Tun bewirkt nur angenehm (sukha) oder indifferent (adukkhamasukha) erlebte Ergebnisse; hingegen ist alles Tun, das Unangenehmes (dukkha) bewirkt, ethisch unheilsam. Wir haben den freien Willen zu entscheiden, ob wir heilsam oder unheilsam handeln, doch die einmal vollendete Tat wirkt als Bedingung (paccaya) für die Qualität des künftigen Erlebens. Dies bedeutet jedoch nicht, daß jede Tat unvermeidlich ein entsprechendes Ergebnis kausal determinieren würde, wie es der Buddha in einer Lehrrede klar widerlegt hat:(11)
Sollte, ihr Mönche, die Behauptung zutreffen, daß
der Mensch für jedwede Tat (kamma), die er verübt, die ihr jedesmal genau
entsprechende Wirkung erfährt,
so ist in diesem Falle, ihr Mönche, ein heiliger Wandel ausgeschlossen,
und
keinerlei Möglichkeit besteht für völlige Leidensvernichtung.
(Anguttara Nikāya,
Nyanatiloka 1984, Band I, Seite 211)
Das Ausmaß unserer Freiheit — einer wichtigen Voraussetzung der Gesundheit unseres Geistes und Körpers — hängt davon ab, wie achtsam wir leben. Das Kultivieren der rechten Achtsamkeit (sati) befähigt uns, nach den ethischen Richtlinien (sīla) zu leben, den Achtfachen Pfad stufenweise zu verwirklichen und unsere geistigen Fähigkeiten zu harmonisieren (indriya–samatta). Ob man nun in einem der heilenden Berufe tätig ist, an einem Heilverfahren als Patient teilnimmt, oder einfach als Mensch sein Leben sinnvoll und glücklich gestalten will, das Geistestraining durch Achtsamkeit ist ein überaus nützliches Heilsverfahren, das auch von jenen mit Vorteil benützt werden kann, die sich nicht als Buddhisten verstehen.
Auf der Grundlage von Achtsamkeit und Einsicht (satipatthāna–vipassanā) sind im Rahmen des Dhamma für die ethisch–psychologische Schulung konkrete Vorgehen entwickelt und seit zweieinhalbtausend Jahren in der Praxis didaktisch erprobt worden. Diese Vorgehen basieren auf ethisch–psychologischem Wissen, welches der Buddha in den Matrizen (mātikā) des Abhidhamma festgehalten hat. Man findet sie verstreut in allen kanonischen Sammlungen der Lehrreden (Sutta–Pitaka) und systematisch geordnet in Abhidhamma–Pitaka. Abhidhamma enthält also die fundamentalen Formulierungen der ursprünglichen Lehre des Buddha, die nach den ethisch–psychologischen Kriterien systematisiert sind. Weil Abhidhamma keine kulturspezifischen indischen Beimischungen enthält, ist er transkulturell gültig, und daher für den Gebrauch in jeder Kultur geeignet.(12)
Alle Begriffe des Abhidhamma sind nach ethischen Kriterien geordnet, indem die durch sie bezeichneten Phänomene jeweils als heilvoll (kusala), unheilvoll (akusala) oder ethisch neutral (avyākata) gewertet sind. Abhidhamma orientiert sich aber auch als System in seiner Ganzheit auf das ethische Ziel, das als die Befreiung von allen Formen des Leidens definiert ist. Im Unterschied zu unserer Wissenschaft, die dem Ideal der Wertfreiheit verpflichtet ist und daher für beliebige Zwecke gebraucht werden kann, ist die Anwendung von Abhidhamma nur auf die emanzipatorische Praxis der Leidensüberwindung beschränkt. Dieses Ausgerichtetsein auf die glücksbringende und befreiende Potentialität der Phänomene wird durch das Vorhandensein einer minuziös ausgearbeiteten Pathologie sowohl der geist–körperlichen Strukturen als auch der Prozesse des Erlebens ausgewogen.(13)
Die Prozesse des Erlebens werden mit Hilfe des zyklischen Paradigmas der Bedingten Entstehung (paticca–samuppāda) erfaßt, das der Buddha für das wichtigste allumfassende Prinzip seiner Lehre gehalten hat. Es hat zwölf Glieder (nidāna), die an dieser Stelle nur aufgezählt werden können:(14)
I. Vergangenheit: 1. Unwissenheit (avijjā)
2. Formationen (sankhārā)
II. Ergebnisse: 3. Bewußtsein (viññāna)
4. Körperliches und Geistiges (nāma–rūpa)
5. Erlebensgrundlagen (āyatana)
6. Kontakt mit dem Erlebten (phassa)
7. Erleben, Gefühl (vedanā)
III. Gegenwärtig 8. Verlangen als Gier oder Haß (tanhā)
Wirkendes: 9. Anhaften (upādāna)
10. Werden neuer Formationen (bhava)
IV. Zukunft: 11. Geburt neuer Situation (jāti)
12. Altern und Sterben (jarā–marana)
Die Urmatrix der Bedingten Entstehung erfaßt die (I) Vergangenheit als Bedingung der (II) gegenwärtigen Ergebnisse, (III) die Aspekte gegenwärtigen Erlebens, welche ethisch in die Zukunft wirken, und (IV) ihre künftigen Ergebnisse.Durch das letzte hier aufgezählte Glied 12. Sterben werden wiederum die Glieder 1. bis 11. und somit die (Wieder–) Geburt einer ähnlichen Situation bedingt, wenn es in der Gegenwart nicht gelingt, die aus der Vergangenheit kommende Unwissenheit (Glied 1.) zu überwinden. Überwindet man jedoch die Unwissenheit durch Achtsamkeit und Einsicht (satipatthāna–vipassanā), so wird das neue Werden (Glied 10.) der gleichen Formationen unterbunden oder umorientiert. Eine andere Möglichkeit der heilvollen Beeinflussung durch Achtsamkeit und Einsicht besteht im Auflösen der Gier oder des Hasses, die zwei Varianten des Verlangens (Glied 8.) darstellen.
In Vibhanga, dem zweiten Opus des Abhidhamma–Kanons, ist das Buch Paccayakāra–Vibhanga der Analyse verschiedener möglicher Varianten dieses Paradigmas gewidmet. Es ist aber bereits aus dieser ersten Annäherung an die Psycho–Logik der Bedingten Entstehung ersichtlich, daß sie sowohl beim Überwinden der pathologischen Wiederholungen, als auch beim Kultivieren von heilvollen Alternativen gilt.
Im Abhidhamma wird der Mensch nicht wie ein von seiner Welt isoliertes Ding untersucht. Die Welt und die Person sind ein Psychotop (loka), ein Erlebenssystem, das aus fünf Gruppen von Interaktionen (pañca–khandha) besteht. Diese fünf Gruppen, mit denen wir uns noch ausführlicher befassen werden, stellen die Komponenten der Persönlichkeit dar, welche sich bedingt entstehend fortsetzen. Da der Mensch lebt, ist das Psychotop ein Prozeß ständigen Entstehens. Um die Bedingte Entstehung konkreter zu illustrieren, wählen wir ihre Kurzformel, die als Matrix mit nur sieben Gliedern leichter zu überblicken ist (siehe Diagramm 3).
Sobald eine Situation, das heißt eine neue Konstellation des Psychotops entsteht, erlebt man sie im Kontakt zwischen den Gegebenheiten der Außenwelt und unseren Sinnen, die die Grundlagen der Innenwelt darstellen. Dies ist, in einem Satz gesagt, der Prozeß, der im Diagramm 3 in die ersten vier Matrixfelder aufgegliedert ist. Ob das Erleben durch angenehmes, unangenehmes oder neutrales Gefühl geprägt ist, ist durch die Intentionalität (kamma, cetanā) ethisch bedingt, die am vorherigen Werden beteiligt war. Die entscheidende Weichenstellung kann nur im gegenwärtigen Erleben stattfinden. Wenn man also darauf achtet, daß das Erleben durch keine ethisch unheilsame gierige oder haßvolle Ausformungen des Verlangens (tanhā) verunreinigt wird, kann es ungestört und unentstellt, das heißt der Wirklichkeit entsprechend, frei fließen. Das frei fließende und wirklichkeitsverankerte (yathā bhūta) Erleben ist ein Kennzeichen der Emanzipation.
Diagramm 3: Kurzformel der Bedingten Entstehung (paticca–samuppāda)
Wenn aber das Erleben durch Gier oder Haß getrübt und verblendet wird, entsteht ein Anhaften (upādāna), durch welches ein Werden neuer unheilvoller Situation bedingt wird. Dieses Anhaften kann verschiedene Formen haben. Es kann ein Anhaften an bereits vergangene angenehme Erlebnisse sein, ein Anhaften an Idealvorstellungen, das mit haßvoller Ablehnung der Wirklichkeit einhergeht, ein Anhaften an irrige Ansichten usw. Die daraus werdende neue Situation, also die somit bedingte weitere Entstehung, ist ethisch unheilvoll, weil sie durch eine Wirklichkeitsentfremdung geprägt ist und in der Folge zum Leiden führt. Wenn es nicht gelingt, die Gier oder den Haß und die mit ihnen immer verbundene Verblendung achtsam zu merken und als solche zu durchschauen, wiederholen sich die pathologischen Situationen immerfort in einem Leidenskreis, der Samsāra genannt wird.
Das Paradigma der Bedingten Entstehung (paticca–samuppāda) ist ein Mittel (upāya) für eine solche Erfassung der Wirklichkeit, welche das Aussteigen aus dem samsārischen Teufelskreis der verblendeten Wiedertode und –geburten ermöglicht. Wie bereits gesagt enthält die Lehre des Buddha nicht nur genaue Anleitungen für das Kultivieren der ethisch heilsamen und emanzipatorisch transzendierenden Kompetenzen. Im Abhidhamma ist auch ein diagnostisches System der Psychopathologie vorhanden, das uns in der Praxis befähigt, die unheilvollen Verwicklungen und Knoten der Formationen (sankhārā) aufzulösen.
Für das Erfassen und Auflösen der pathologischen Formationen wird vor allem das Paradigma der fünf Komponenten der Persönlichkeit (pañca–khandha) angewendet, das die Analyse der Entstehung von pathologischen Komplexen (upādāna–khandha) möglich macht. Für unsere Zwecke der Erläuterung ethischer Aspekte der Heilung wird ein knapper Abriß dieses Paradigmas genügen. Die fünf Gruppen der Interaktionen (pañca–khandha), die im Psychotop geschehen, sind:
1. Körperlichkeit (rūpa–khandha) schließt alle Prozesse ein, die räumlich stattfinden und nur als Bewußtseinsobjekt oder innere Erlebensgrundlage (āyatana) funktionieren.
2. Fühlen (vedanā–khandha) sind die grundlegenden Prozesse des Erlebens, die noch keine Strukturen enthalten und nur als angenehm (sukha), neutral (adukkhamasukha) oder unangenehm (dukkha) erkannt werden können.
3. Wahrnehmen (saññā–khandha) besteht aus den Prozessen des Bezeichnens und Wiedererkennens der körperlichen und geistigen Phänomene.
4. Formationen (sankhārā–khandha) sind Prozesse, die kognitive und intentionelle Zusammenhänge herstellen, die Strukturen aufbauen und trennen, welche als unbewußte (anusaya) oder bewußte (abhisankhāra) Programme das Erleben steuern.
5. Bewußtsein (viññāna–khandha) umfaßt alle disparaten Einheiten der Erfassung von Bewußtseinsobjekten (ārammana), die im Bewußtseinsstrom (citta–vīthi) vorkommen.
Im Psychotop einer gesunden Person fließen die fünf Gruppen von Prozessen frei und wirklichkeitsbezogen. Wenn aber pathologische, mit Gier oder Haß behaftete Formationen den Lebensprozeß stören, entstehen Komplexe des Anhaftens (upādāna–khandha), die sich dann quasi–autonom weiterentwickeln. Ein solcher Komplex des Anhaftens kann in seinem Substrat als ein körperlicher Krankheitsherd fortbestehen, oder auf der geistigen Ebene als ein morbides Subsystem der Persönlichkeit gewisse Bereiche des Erlebens und Handelns pathologisch beherrschen. In der buddhistischen Praxis gibt es prinzipiell zwei Vorgehensweisen zur Auflösung dieser Komplexe.
In den traditionellen Heilverfahren, die im Rahmen des Gesundheitssystems von Sri Lanka vorkommen (siehe Tabelle 4), werden die pathologischen Komplexe konkretisiert und personifiziert als Dämonen (yakkha), Geister der Verstorbenen (preta) oder mindere Gottheiten (deva), die den Patienten besessen halten. In den traditionellen buddhistischen Heilritualen werden dann diese Komplexe bezähmt und aufgelöst. Dieses Vorgehen gibt es nicht nur in den Pirit–Ritualen der buddhistischen Mönche (bhikkhu) und in den von Laientherapeuten (yakädura) durchgeführten Tovil–Ritualen, sondern auch bei den āyurvedischen Ärzten (vedarāla) und den die Astrologie benützenden Geistheilern (shāstrakāraya). Es gibt in Sri Lanka sogar einige in Europa ausgebildete Ärzte, die ein solches Vorgehen anwenden.(15)
Für die zweite Vorgehensweise zur Auflösung der pathologischen Komplexe wird die Analyse der fünf Komponenten des Anhaftens (pañca–upādāna–khandha) und der Ebenen des Vorkommens pathologischer Formationen (kilesa–bhūmi) benützt. In dieser Analyse werden die Unheil bedingenden Phänomene als ethische Verschmutzung (wörtlich für kilesa) des Geistes aufgefaßt. Der Herd des Unheils wird durch spezifische Techniken des Abhidhamma gelöscht, jenachdem auf welcher der vier folgenden Ebenen (bhūmi) er lokalisiert wird:(16)
1. 1. Ebene der latenten (unbewußten) Neigungen (anusaya)
2. Ebene der geistigen Fesseln (samyojana)
3. 3. Ebene der Zwangshandlungen (pariyutthāna)
4. 4. Ebene des Haftens an irrigen Ansichten (ditthi–upādāna).
Während die pathologischen Herde auf der Ebene der latenten Handlungen einzig durch die Meditationsmethode Satipatthāna–Vipassanā ausgelöscht werden können, wird das Unheilvolle auf den übrigen drei Ebenen auch durch verschiedene andere Vorgehen bearbeitet. Etwas verallgemeinernd läßt sich sagen, daß die ethischen Verschmutzungen des Geistes (kilesa), die alle auf den kleinsten gemeinsamen Nenner Gier–Haß–Verblendung gebracht werden können, verschiedene unheilvolle (akusala) Gestaltungen (sankhārā) sind, die den Menschen auf den endlosen Kreis des Samsāra fesseln. Für das Auflösen der verschiedenen Typen dieser Gestaltungen hat die buddhistische Kultur verschiedene Heilverfahren entwickelt. Auch wenn nicht alle diese Heilungswege bis zum Verwirklichen des ungestalteten (asankhata) Nibbāna führen, richten sie sich alle auf das vorher erörterte Paradigma der von Buddha dargelegten Vier Edlen Wahrheiten aus.
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Es gibt in Sri Lanka Heiler, nämlich Bhikkhu (Mönche) und die Yakädura (wörtlich: Geist–Bezähmer), welche die Vorgehensweisen ihrer traditionellen Psychotherapie erklärterweise nach den Paradigmen des Abhidhamma gestalten, wie die Ergebnisse einer ethnopsychologischen Feldforschung zeigten (Vogt Frýba 1991). Bei den anderen in der Tabelle 4 angeführten Heilern besteht die Verbindung zu Dhamma nur auf der Ebene der eigenen persönlichen Weltanschauung und wirkt sich auf das Gestalten der therapeutischen Beziehung aus. Für alle Heiler, die sich als Buddhisten verstehen, ist der populäre Vergleich des Buddha mit einem Arzt ausschlaggebend. Sie rechtfertigen diesen Vergleich mindestens durch zwei Paradigmen des Dhamma, die übrigens auch allen lokalen und nationalen Ausprägungen der buddhistischen Religion zu Grunde liegen.
Fassen wir das über diese zwei Paradigmen bereits Gesagte kurz zusammen: das erste Paradigma sind die von Buddha gelehrten Vier Edlen Wahrheiten. Sie besagen, daß erstens die Motivation zur Heilung dem Erleben des Leidens (dukkha) entspringt, zweitens die Ursache des Leidens (dukkha–samudaya) im Blockieren der Lebensprozesse durch Begehren (tanhā) und Anhaften (upādāna) besteht, drittens ein Schwinden des Leidens (dukkha–nirodha) möglich ist, wenn wenn man sich von den pathologischen Wiederholungen (samsāra) befreit, und viertens ein Pfad zur Heilung (dukkha–nirodha–gāmini–patipadā) mit rationalen Mitteln (paññā) begangen werden kann. Das zweite Paradigma ist die Formel der Bedingten Entstehung (paticca–samuppāda) aller Phänomene, die heilende Interventionen möglich macht. Die Anwendungen dieser beiden Paradigmen im Rahmen einer Psychotherapie mit europäischen Patienten sind in Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma (Frýba 1987) dokumentiert.(17)
Es sind jedoch nicht nur die Inhalte des Dhamma, sondern auch die Vorgehensweisen des Buddha, welche den buddhistischen Heilern als Modell dienen. Der Buddha lehrte und heilte immer im direkten persönlichen Kontakt und nur, wenn er zuerst ein begründetes Vertrauen (saddhā) und gründliche Aufmerksamkeit (yoniso manasikāra) beim Schüler zustandegebracht hatte. Der Buddha wurde als Wegweiser (akkhātaro) befolgt und seine Worte waren Zeiger (akkheyyā), die auf erlebnismäßig evidente Fakten hinwiesen. Die Ausgangslage und die Abfolge seines Vorgehens wählte der Buddha dem inneren Wandel entsprechend (anuparivatti), den der Zuhörer während dieser außerordentlichen Gelegenheit (samaya) erlebte.
Der Buddha gilt als unübertrefflich in seiner Fähigkeit, das Erleben des Schülers empathisch zu verstehen (anubhûti) und vollkommen zu erkennen (anubodhi). Die wiederholten Abfolgen der Wörter vergegenwärtigten dem Schüler während der Darlegung immer wieder das bereits Eingesehene und erlebnismäßig Verwirklichte in einer "Wieder–Holung", zu der jeweils nur ein neues Element hinzukam. Dieses Vorgehen zielte auf ein kognitives Umwerten und Umstrukturieren des Erlebens der gegenwärtigen Gesamtsituation (samaya) und schließlich auf deren Transzendieren in einem emanzipatorischen Sprung (abhisamaya). Wenn die inneren Voraussetzungen (pāramitā) des Hörers es erlaubten, führte ihn der Buddha wie ein Wegweiser (akkhātāra) Schritt für Schritt durch Veränderungen des Bewußtseins bis zum ersten Erlebnis der Erleuchtung (sotāpatti, wörtlich: Stromeintritt), wie es in Lehrredenüberlieferungen dokumentiert ist. Zu dieser sehr gerafften Skizzierung der Heilungsstrategie (upakkama) soll nochmals bemerkt werden, daß sie nach den Paradigmen der Vier Edlen Wahrheiten und der Bedingten Entstehung entworfen wurde.
Der Buddha beschränkte sich in seinen Belehrungen nicht auf die erste Stufe der Unterweisung im ethischen Handeln (sīla). Er lehrte — und entsprechend lehren es auch die buddhistischen Heiler heute — die Methoden der Geistesschulung (samādhi) und der Weisheit (paññā), durch welche die Ursachen des Leidens erkannt und beseitigt werden. Auf diesen höheren Stufen der Unterweisung verlieren die zuvor erwähnten Prinzipien der Ethik nicht ihre Wichtigkeit. Insbesondere das Verstehen, daß die ethisch einwandfreie beziehungsweise verwerfliche Intentionalität des Tuns und Lassens die Qualität des angenehmen beziehungsweise leidhaften Erlebens als ihr Resultat bedingt, bleibt für den Fortschritt des Heilens und Heilwerdens immer grundlegend. Es soll aber nicht vergessen werden, daß der Buddha keinen kausalen Determinismus gelehrt hat; das Leiden wie das Glück ergeben sich aus einem Zusammenspiel mehrerer Bedingungen. Diese Einsicht beeinflußt nicht nur das Selbstverständnis der Patienten sondern auch die berufliche Ethik der Heiler, wie sie Beatrice Vogt Frýba in ihrem Buch über die buddhistische Heilung (Können und Vertrauen 1991, Seite 44f) feststellt:
Ob nun eine Krankheit von aussen an sie herangetragen wird, durch gierige Dämonen, strafende Götter und neidische Mitmenschen, oder ob sie sie aus sich selbst entwickeln, immer ist sie identifiziert als erlebtes Leiden. Wie bereits erörtert, gehört das Leiden nach buddhistischer Auffassung unausweichlich zu jeglichem Leben, doch möchte man es befrieden, verhindern und letztlich überwinden. Auf welche Weise und wie rasch man als Buddhist auf diesem Weg (dhamma) vorwärtsschreitet, und wie viele Befriedungsakte dabei notwendig sind oder als wohltuend erachtet werden, ist jedem selber überlassen.
Mit diesen ... Einsichten in das buddhistische Verständnis von Krankheit als Leiden ist die Toleranz der Heiler den verschiedenen anderen Heilsystemen gegenüber, wie dies in meinen Heilerbeispielen gut zur Geltung kommt, nachvollziehbar. Ihre Methodenvielfalt muss nicht unbedingt einer Verzettelung oder Verflachung gleichkommen, sondern sie wird in demselben Selbstverständnis integriert. Der einzelne Heiler bietet an, was er anzubieten fähig ist, im Bewusstsein, dass der Patient die Früchte seiner eigenen Taten (kamma–vipāka) sowieso selber tragen muss. Wie die Gespräche mit den Heilern deutlich zeigen, betrachten sie ihr allfälliges Sich–Abheben oder Sich–Abgrenzen von anderen Heilmethoden als ihre persönliche Entscheidung. Gründe, wie eigene Begabung, Aufwand, eigener ethischer Fortschritt, Erlaubnis oder Gnade der Götter (varam) und das Weiterführen der eigenen Lehrergeneration sind massgebend, nicht aber die Frage der "objektiven" Überlegenheit einer bestimmten Methode.
Klaus Giel & Renate Breuninger (Hg.):
Religionen und medizinische Ethik, Bausteine zur Philosophie – Interdisziplinäre Schriftenreihe des Humboldt–Studienzentrums,
Bd. 7,
Universität Ulm 1993 (Seite 41 – 71).
(1) In deutscher Sprache findet man die ausführliche Analyse des Abhidhamma und dessen geschichtlich kulturellen Kontexts in Mirko Frýba: Abhidhamma im Überblick – Texte der hohen Lehre des Buddha (1990). Siehe Anmerkung (12). [ZURÜCK]
(2) Philologisch wurden die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Dhamma von Magdalene und Wilhelm Geiger: Pāli Dhamma (1920) untersucht. [ZURÜCK]
(3) Die berühmtesten Beispiele sind das aus dem vierten Jahrhundert stammende chinesische Handbuch der Meditation Gedatsu–Do–Ron, das eine Übersetzung des Vimutti–Magga von Upatissa Thera ist, und das ihm weitgehend entsprechende Handbuch Visuddhi–Magga in Pāli von Buddhaghosa Thera aus dem fünften Jahrhundert. Für weitere Angaben zu diesen beiden Zusammenfassungen der Sinhala Kommentare siehe Mirko Frýba: Abhidhamma im Überblick (1990). [ZURÜCK]
(4) Die Eingliederung verschiedener kultureller Subsysteme in Buddhismus wird analysieren die einschlägigen Werke von H. Saddhatissa: Buddhist Ethics – Essence of Buddhism (1970), A. L. Basham: The Wonder that was India (1967), H. Ellawala: Social History of Early Ceylon (1969), U. D. Jayasekera: Early History of Education in Ceylon (1969). [ZURÜCK]
(5) Siehe Heinrich Laufer: Tibetische Medizin (1991); Auskunft über den tibetischen Buddhismus findet man in einem umfassenden Nachschlagwerk von Jürgen C. Aschoff: Tibet, Nepal und der Kulturraum des Himalaya, Kommentierte Bibliographie deutschsprachiger Bücher und Aufsätze 1627 bis 1990 (1991). [ZURÜCK]
(6) Für eine ausführliche Behandlung siehe Heinrich Dumoulin: Buddhismus in Japan, in H. Dumoulin (Hg.): Buddhismus der Gegenwart (1970). [ZURÜCK]
(7) Vgl. hierzu die Fußnote 3. [ZURÜCK]
(8) Für ausführlichere Behandlung siehe Heinz Bechert & Vu Duy–Tu: Buddhismus in Vietnam, in H. Dumoulin (Hg.): Buddhismus der Gegenwart (1970). [ZURÜCK]
(9) Wie Beatrice Vogt Frýba in Können und Vertrauen (1991, Seite 450) feststellt:
"Im deutschen Sprachgebiet sind grobe Missdeutungen der buddhistischen Heilsziele und –wege üblich. Sogar renomierte Lexika behaupten, es ginge da um "völlige Selbstentäusserung", "endgültiges Erlöschen der Person" und ähnliche Vorgehen, unter denen man sich im westlichen Verständnis etwa "Selbstaufgabe" oder "Selbstvernichtung" vorstellen muss. Die Ursache des Leidens sei "der Wille zum Leben", der ja bei uns als Voraussetzung für Glück und Gesundheit gilt. Abgesehen von diesen Irreführungen hat die wissenschaftliche Erforschung des Buddhismus seit dem letzten Jahrhundert auch stichhaltige Befunde geliefert, wie zum Beispiel die folgenden Aussagen von Hoffmann (1928 : 197) und des von ihm zitierten Übersetzers Oldenberg (1883) belegen:
Dass gerade Freude die Eigenschaft ist, die in uns das Aufkeimen des Hasses verhindert, ist eine Erkenntnis, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Mehr als durch alle Moralpredigten, Verbote und Abschreckungsmethoden, liesse sich durch Freude zum Heil der Menschheit wirken. Freude und Heiterkeit gehören zu den stärksten Faktoren des buddhistischen Heilsweges..." [ZURÜCK]
(10) Die Wirklichkeitsverankerung (yathā bhūta) des Erlebens durch die auf den Körper gerichtete Achtsamkeit (kāya–gatā–sati) spielt in allen techisch konzipierten Praxisanleitungen eine wichtige Rolle. So auch in dem für die europäische Leserschaft verfaßten Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma (Frýba 1987). Vgl. Anmerkung (12). [ZURÜCK]
(11) Für eine ausführlichere Behandlung dieses Themas siehe Kamma und seine Frucht in Nyanaponika: Im Lichte des Dhamma (1989). Vgl. auch die Anmerkung 170 zu der hier zitierten Lehrrede in Die Lehrreden des Buddha aus der Angereihten Sammlung (Anguttara Nikāya), deutsche Übersetzung von Nyanatiloka (1984, Band I, Seite 258f). [ZURÜCK]
(12) Einen ersten Ansatz zur psychologischen Analyse und Erklärung von praktischen Anwendungen der abhidhammischen Matrizen findet man in Frýba: Abhidhamma im Überblick (1991). Obwohl in den westlichen Sprachen über die buddhistische Meditation und Lebensführung bereits viel geschrieben wurde, blieb die praktische Anwendung von Matrizen des Abhidhamma so gut wie unbekannt. Dies hat mancherorts zu der falschen Annahme geführt, Abhidhamma sei bloß eine philosophische Scholastik.
Das populärwissenschaftliche Buch Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma (Frýba 1987), das Instruktionen für Vorgehen die konkrete Anwendung des Abhidhamma enthält, beschreibt die Methoden der Entfaltung und Harmonisierung jeder einzelnen der fünf geistigen Fähigkeiten (indriya). Das Verständnis dieser Methoden der Geistesschulung ist eine Voraussetzung für die Praxis der buddhistischen Vipassanā–Meditation, die in unserer Kultur bereits — leider auch schon in verschiedenen Abarten — ziemlich verbreitet ist.
Das bisher unübertroffene Buch des führenden deutschen Buddhismuskenners Nyānaponika Mahāthera Gesistestraining durch Achtsamkeit – Die buddhistische Satipatthāna–Methode (1970) zeigt klar, in welchem Kontext die wirkliche Vipassanā–Meditation geübt wird. Vgl. hierzu den Beitrag von Erich Fromm Die Bedeutung des Ehrwürdigen Nyānaponika Mahāthera für die westliche Welt (1976), in Fromm: Gesammelte Werke, Band 6: Religion (1980). [ZURÜCK]
(13) Für eine kurze Übersicht der daraus folgenden therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten siehe Abhidhamma – eine uralte Grundlage transpersonaler Psychotherapie (Frýba 1984). [ZURÜCK]
(14) Die ausführliche Erklärung der Matrix der Bedingten Entstehung und ihrer Anwendung in der Psychotherapie findet man in Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma (Frýba 1987). [ZURÜCK]
(15) Wie Beatrice Vogt Frýba in ihrer Forschungsarbeit Können und Vertrauen (1991, Seiten 33, 42 und Anmerkung 14) über die srilankische Psychotherapie berichtet. Sie vermittelt dortselbst (op.cit. Seite 29) auch die Übersicht aller Heilverfahren, die in der Gesundheitsversorgung in Sri Lanka vorkommen. [ZURÜCK]
(16) Diese Einteilung der Ebenen geistiger Verschmutzung ist die einfachste und wird auch von den Yakädura benützt. Sie ist genauer behandelt in dem Handbuch buddhistischer Lehrer Nettippakaranam (PTS 1961, Seite 161), auf Englisch von Ñānamoli: The Guide (1977, Seite 212ff). [ZURÜCK]
(17) Die amerikanische Version von Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma (Frýba 1987), die den Titel The Practice of Happiness (Frýba 1995) hat, enthält ein neues einleitendes Kapitel mit Hinweisen darüber, wie sich die moderne westliche Psychologie der Psychologie des Abhidhamma nähert. [ZURÜCK]
Alle Texte des buddhistischen Kanons sind nach der Ausgabe der Pali Text Society zitiert (PTS Routledge and Kegan Paul Ltd., London and Boston). Die deutsche und englische Übersetzungen, soweit vorhanden, werden unter dem Namen des Übersetzers angeführt.
Anguttara Nikāya siehe Nyanatiloka (1984).
Aschoff, J.C.: Tibet, Nepal und der Kulturraum des Himalaya, Kommentierte Bibliographie deutschsprachiger Bücher und Aufsätze 1627 bis 1990, Garuda–Verlag, Dietikon 1991.
Basham, A.L.: The Wonder that was India, Fontana, London 1967.
Bechert, H.: Buddhismus, Staat und Gesellschaft in den Ländern des Theravāda–Buddhismus, Inst. für Asienkunde, Frankfurt a.M. 1966.
Bechert, H. & Vu Duy–Tu: Buddhismus in Vietnam, in H. Dumoulin (Hg.): Buddhismus der Gegenwart (1970).
Dumoulin, H.: Buddhismus in Japan, in H. Dumoulin (Hg.): Buddhismus der Gegenwart (1970).
Dumoulin, H. (Hg.): Buddhismus der Gegenwart, Verlag Herder, Freiburg i.B. 1970.
Ehara, N., Soma, T. & Kheminda, T.: The Path of Freedom, (englische Übersetzung des chinesischen Gedatsu-Do-Ron), Buddhist Publication Society, Kandy 1977.
Ellawala, H.: Social History of Early Ceylon, Dept. of Cultural Affairs, Colombo 1969.
Fromm, E.: Die Bedeutung des Ehrwürdigen Nyānaponika Mahāthera für die westliche Welt (1976), in E. Fromm: Gesammelte Werke, Band 6: Religion, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1980.
Frýba, M.: Abhidhamma – eine uralte Grundlage transpersonaler Psychotherapie, Integrative Therapie, Zeitschrift für Verfahren Humanistischer Psychologie und Pädagogik, 10. Jhg., 3 (263 – 272), 1984.
Frýba, M.: Anleitung zum Glücklichsein – Die Psychologie des Abhidhamma, Bauer–Verlag, Freiburg i.B. 1987.
Frýba, M.: Abhidhamma im Überblick – Texte der hohen Lehre des Buddha, Forschungsberichte 2, Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Konstanz, Konstanz 1990.
Frýba, M.: The Practice of Happiness, Shambhala Publications, Boston & London 1995.
Gedatsu–Do–Ron siehe Ehara & al. (1977).
Geiger, M. & W: Pāli Dhamma vornehmlich in der kanonischen Literatur, München 1920.
Hoffmann, E.L.: Abhidhammattha–Sangaha – Ein Compendium Buddhistischer Philosophie und Psychologie, Zeitschrift für Buddhismus, Jhg. 8 (86 – 208), 1928.
Jayasekera, U.D.: Early History of Education in Ceylon, Dept. of Cultural Affairs, Colombo 1969.
Kapleau, P.: Die drei Pfeiler des Zen, Barth & Scherz Verlag, Bern 1981.
Laufer, H.: Tibetische Medizin, Fabri Verlag, Ulm 1991.
Ñānamoli: The Guide (englische Übersetzung des Nettippakaranam), Pali Text Society, London 1977.
Nyanaponika: Im Lichte des Dhamma - Buddhistische Texte, Verlag Christiani, Konstanz 1989.
Nyanaponika: Geistestraining durch Achtsamkeit – Die buddhistische Satipatthāna-Methode, Verlag Christiani, Konstanz 1970.
Nyanatiloka: Die Lehrreden des Buddha aus der Angereihten Sammlung, (deutsche Übersetzung des Anguttara Nikāya), Aurum Verlag, Freiburg i.B. 1984.
Saddhatissa, H.: Buddhist Ethics – Essence of Buddhism, Allen & Unwin, London 1970.
Suzuki, D.T.: Zen and Japanese Culture, Bollingen Foundation, New York 1959.
Thich Nhat Hanh: Die Sonne, mein Herz, Theseus Verlag, Küsnacht 1989.
Vogt Frýba, B.: Können und Vertrauen – Das Tovil–Heilritual von Sri Lanka als kultureigene Psychotherapie, Verlag Rüegger, Zürich 1991.
Āyukusala Central European Sangha – ACES
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